Anna Petrocheilou
Die Höhlen Griechenlands
Detaillierter Bildführer durch alle wichtigen griechischen Höhlen
Athen 1984
Rezension von Franzjörg Krieg
Gleich zu Anfang: Wer sich dieses „Muß“ für jeden Griechenland besuchenden Speläologen für 30.- DM kauft und dem Titel nach erwartet, einen repräsentativen Katasterauszug griechischer Höhlen erstanden zu haben, wird sich getäuscht sehen.
Wenn die Rezension eines auf den ersten Blick äußerlich doch ansprechenden Buches mit einem derartigen Verriß beginnt, muß der Rezensent schon gewichtige Gründe dafür anführen können. Also:
Vorgestellt werden im Inhaltsverzeichnis 72 Objekte bzw. Objektgruppen in 2 Abteilungen.
Die erste Abteilung, die mit über 130 von 160 Weiten den Hauptteil des Buches ausmacht, bringt 27 Höhlen bzw. Kleinhöhlengruppen, verteilt auf ganz Griechenland.
Die zweite Abteilung beschreibt 45 weitere „sehenswerte Höhlen“.
Zunächst fällt auf, daß in der Reihenfolge der Aufzählung keine Systematik zu erkennen ist. Weder geographische, katasternumerische, typologische oder sonstige üblichen Gliederungsmerkmale sind auszumachen.
Jede Höhle wird mit einem einleitenden Text über Lage und manchmal auch über einiges aus der Erforschungsgeschichte oder der griechischen Sagenwelt und einer Raumbeschreibung vorgestellt. Die Höhlen des Hauptteils sind außerdem mit „Plänen“ vertreten, die oft nur den Charakter bunter Skizzen haben, sich auf Hauptgänge beschränken und teilweise grobe Meßfehler aufweisen.
Die Raumbeschreibungen sind an den Namen der Tropfsteingebilde (fettgedruckt) orientiert und gehören dem Typus des traditionellen Höhlenführertextes der düßmmlichsten Art an. Anscheinend hat auch jemand mit Einfluß im Redaktionsstab die eigenen Bilder im Buch untergebracht, worauf grobe Mängel wie Unschärfen und Farbstiche schließen lassen. 23 der ersten 27 im Hauptteil gebrachten Objekte sind Schauhöhlen, von den restlichen 45 sind 13 Schauhöhlen.
Man könnte meinen, A. Petrocheilou wollte mit Blick auf den Höhlenschutz die Aufmerksamkeit auf die Schauhöhlen lenken. Doch dann fällt auf, dass im Buch viele Höhlen beschrieben werden, die weder als Schauhöhlen ausgebaut noch in Griechenland näher geschützt sind. Außerdem vermisst der aufmerksame Leser Schächte, Siphone oder Beschreibungen komplexerer Systeme. Alle Höhlen sind relativ leicht zugänglich und bieten kaum Befahrungshindernisse.
Hier nun werden einige Erläuterungen nötig:
Petrocheilou ist die Vorsitzende der griechischen speläologischen Gesellschaft, die mit dem Fremdenverkehrsamt gekoppelt ist. Ihre Aufgabe besteht im Aufspüren neuer Touristenmagnete. Fast jede im „Deltion“, dem Magazin des griech. Verbandes, vorgestellte Höhle wird in einem Kapitel „Tourismus“ zur kommerziellen Ausnutzung angepriesen. Speläologische Forschung degeneriert zum Helfer des Tourismusmanagements, Mutter Natur wird zur Hure gemacht.
Jetzt wird einiges verständlicher: Schächte, in Griechenland zahlreich und bedeutend, sind zur Schauhöhle nicht tauglich. Die erste im Buch aufgeführte Höhle (Glyfada) ist der Tourismusrenner schlechthin, vom Ehepaar Petrocheilou zur Schauhöhle aufbereitet und berühmt, obwohl der dürftige Erforschungsstand des großen Systems wundert und die wissenschaftliche Fachwelt, besonders die Ur- und Frühgeschichtler, die stümperhafte Vorgehensweise bei der Erforschung der Höhlen in jener peloponnesischen Bucht bedauert.
„Ton Limnon“ aus dem Hauptteil des Buches ist inzwischen zur Schauhöhle ausgebaut und die riesigen Fledermauspopulationen sind verschwunden. Die Höhle bei Selenitsa ist aufgrund der Veröffentlichungen und hinausgeschobener Erschließung nur noch Trümmerhaufen.
Somit wird deutlich: Das „wichtig“ im Titel bezieht sich nur auf die touristische Relevanz der Objekte.
Der unendlichen Reihe von Bildführern durch das Urlaubsland Griechenland wurde ein weiterer Touristenführer hinzugesellt, das Lebenswerk der Autorin markierend. Für den Höhlenlaien ist das Buch sicher interessant, für den uninformierten Speläologen kann es Anhaltspunkte liefern, für den informierten Speläologen ist es allerdings Ärgernis, da es Ziel und Zweck speläologischen Bemühens nur schaden kann.