Über meine Verbindungen zu den griechischen Höhlenforschern erfuhr ich vom Thermalkarstvorkommen bei Athen. Nahe an der Küste liegt der Limni Vouliagmeni, ein natürlicher See in einem Karsteinbruch mit Thermalwasser, der wohl schon seit dem Beginn der Besiedlungszeit von den Menschen genutzt wird und heute als Spa angeboten wird (Eintritt 2016: 12 Euro).
Es war aber noch nicht lange bekannt, dass sich dahinter ein ganzes Höhlensystem befindet, das unter den Bedingungen eines Thermalwasservorkommens im Karst gebildet wurde.
Bekannt ist dieses Phänomen auch aus Budapest, wo viele Höhlen auf der Budaer Seite unter ähnlichen Bedingungen entstanden.
Am 14. und 15.07.1982 hatte ich endlich Gelegenheit, mich diesem Karstphänomen zum ersten Mal zu widmen.
Ich benutzte dazu aber nicht den Tauchzugang im Natur-Thermalbad, sondern einen Schachtzugang, der 100m höher auf dem dahinter gelegenenen Berg liegt.
Damals waren die Feldwege noch nicht abgesperrt und es war möglich, mit dem Auto bis nahe an den Schachteinstieg zu fahren.
Über einen 7m-Eingangsschacht, eine Kletterpassage – von mir “Käse” genannt (wegen der Assoziation Schweizer-Käse), einen 13m und einen 14m tiefen Schacht kommt man zum Ansatzpunkt des letzten 33m tiefen Schachtes, der ohne Versturzpassage weiter werdend zu einer Wasserfläche abwärts führt.
Der erste Spit an dieser Stelle wurde von mir gesetzt, so dass angenommen werden kann, dass vor mir noch keiner diesen Schacht befahren hatte.
Das Wasser stellte sich als Thermalwasser mit 27 Grad Celsius Wassertemperatur heraus. Damit ist dort Schwimmen und Tauchen ohne Anzug möglich. Aber besonders der Aufstieg im Schacht muss unter den Bedingungen einer solchen Beheizung als entsprechend belastend eingestuft werden. Nach dem Ausstieg ein Liter Apfelsaft aus dem Tetrapack in einem Zug war nötig.
Zitat aus meinem damaligen Befahrungsbericht vom 2. Tag:
Wir steigen um 13.30 Uhr wieder zu zweit rein, nehmen keine Fotoausrüstung mit, dafür aber zu den immer noch von gestern eingehängten Seilen das 80m-Seil zur Sicherung, zu der am Wasser unten liegenden halb vollen Flasche von gestern noch eine zusätzliche volle 4l-Tauchflasche und 50m Sicherungsleine. Das 80m-Seil befestigen wir unter dem „Käse“ (Kletterstrecke unter dem Einstiegsschacht) und lassen es bis ins Wasser durchhängen. Gerade 5 m davon werden so noch naß. Um 14.20 Uhr sind wir am Wasser. Ich kopple beide 4er Flaschen mit Schellen zusammen und atme zunächst aus der vollen Flasche. Ein kurz zuvor fallen gelassener Schnorchel findet sich in den Guanosedimenten am Schachtboden in –15m wieder. Dann ziehe ich den Seilrest zum weiteren engräumigen Abstiegspunkt, finde dort eine Befestigungsmöglichkeit und hänge Seilrest und Anfang der Sicherungsleine ein. Dann lasse ich mich tiefer gleiten. In –18m Wassertiefe befinde ich mich an der Decke eines Raumes, der nur einen Teil des Schachtraumes ausmacht, schätzungsweise 4-5m breit und 6-8m lang. Ich tauche ab zum Boden dieses Raumes in –30m. Der Raum ist vollständig mit weißen Kalzitkristallen ausgekleidet. Diese scheinen auf flächigem Wandsinter zu sitzen, der alle anderen Formen stark überlagert. Ich sehe nur wenige kurze armdicke Stalagtiten. Der Sinterschnuck ist so weiß, dass eine meiner Spiro-Lampen ausreicht, um den Raum zu erhellen. Das Wasser ist bis auf die von mir aufgewirbelten und herabtrudelnden Guano-Schwebeteilchen absolut klar.
Im Hallenboden befindet sich wiederum ein größeres Loch, in das ich hinableuchte. Unter mir liegt eine ähnliche sintergeschmückte Halle, der nächste Bodenabsatz müßte in 40 – 50 m Wassertiefe liegen.
Mit meinen beiden halb vollen 4l-Flaschen muß ich hier auf den weiteren Abstieg verzichten und tauche langsam wieder auf. Wasserstandsmarken fallen mir keine auf.
Nach 22 min bin ich wieder an der Wasseroberfläche im Schacht. Die vorher volle 4l-Flasche ist fast leer. Das nach meinem Thermometer durchgehend 27°C warme Wasser lässt mich ohne Anzug leicht frösteln, doch glaube ich, dass auch ein tieferer Tauchgang ohne Anzug und damit auch ohne Blei machbar wäre.
Ich hatte nicht die Zeit, eine detailliertere Vermessung vorzunehmen und hatte auch bei diesem ersten Abstieg keine Kamera dabei.
Die ersten Aufnahmen von unter Wasser stammen vom Tag zuvor und sind vom Schachtraum unter der Wasserfläche.
Die Stalagtiten zeigen ihre Genese unter vadosen Bedingungen. Da der Wasserspiegel im Schacht mit dem Mittelmeerspiegel korreliert, sind die Sinterbildungen ideale Datenträger für Forschungen in den Bereichen Palaeoklimata und Palaeolevel im Mittelmeerraum.
Es war klar, dass wir die Gelegenheit nützen würden, bei einem meiner nächsten Aufenthalte in Griechenland wieder vorbei zu kommen.
Diese Gelegenheit bot sich im Sommer 1984.
Am 06., 09. und 11.08. stiegen wir wieder im Schacht ab.
Neue Ergebnisse zur Situation im Schacht ergaben sich dabei nicht.
Es entstand aber am 09.08.1984 eines meiner Lieblingsfotos.
Ich liege auf der Wasseroberfläche, vor dem Bauch in einem großen Alureflektor, der einmal zu einem Strahler gehörte, eine Blitzbirne PF100 in Glühbirnengröße mit E27-Fassung und einer Leitzahl von 100, zündbar über einen selbst konstruierten und gebauten Auslösemechanismus mit Magnetschalter und gespeist von einer 9 Volt-Batterie. In 10m Höhe über mir sitzt Azi (DANK für die perfekte Umetzung der Idee!) in einer kleinen Wandnische mit der Kamera.
Ich schwebe also als Schattenriß über der beleuchteten Szene, die 5-10m unter mir liegt.
Erst ab 1992 kümmerte sich eine französische Gruppe näher um den Komplex, wobei die folgenden Pläne entstanden. Im Rahmen dieser Erforschungen kam wohl auch 1994 einer der Taucher ums Leben.
Am 25.05.2016 war ich wieder oben am Schachteingang – eigentlich nur für das folgende Foto:
Links vorne im Bild ist das Doppelloch des Schachteinstiegs und in der oberen Bildmitte der Dolineneinbruch des Limni. Dazwischen liegen etwa 100 Höhenmeter und 300m Strecke. Die Verbindung müsste in mindestens 50m Wassertiefe liegen und ist nach meinem Wissen noch nicht betaucht.
Die griechischen Höhlenforscher drehten 2016 einen Film, der über youtube erreichbar ist.